Die Herren von Kandalar
Der Warnton aus dem Horn der Späher ließ meine dreckverkrusteten Hände innehalten. Alarmiert reckte ich den Kopf empor, suchte mit zusammengekniffenen Augen den Horizont ab, um den Grund dafür auszumachen. Eine kleine, dunkle Wolke wurde in der Ferne sichtbar, doch versprach sie nicht den lang ersehnten Regen. Ein Reiterheer der ‚Herren von Kandalar‘ nahte. Wie Heuschrecken zogen sie übers Land, eine Spur der Verwüstung hinterlassend. Vornehmlich auf der Suche nach Büchern. Niemand durfte eines besitzen und wenn doch rollte sein Kopf – denn Wissen bedeutete Macht und sie waren die Mächtigen, uneingeschränkt. Dieses Gesetz existierte seit Generationen.
Die Herren von Kandalar trieben Steuern ein, viel mehr als die meisten unseres Clans in der Lage waren zu geben. Wer nicht zahlen konnte, verlor Frau oder Kinder an die Herren von Kandalar als Pfand, bis die Schuld beglichen war – keiner kehrte je zurück.
Im Laufschritt jagte ich über die staubigen Felder, sorgsam darauf bedacht, nicht die Setzlinge niederzutrampeln. Die Bewässerung des extrem trockenen Ackerlandes verlangte ohnehin besonderen Einfallsreichtum. Geregnet hatte es seit Monaten nicht mehr und die zunehmenden Sturmböen dörrten den Boden zusätzlich aus. Überhaupt war das Wetter kaum noch vorhersehbar. Während es in einigen Gebieten unaufhörlich regnete, wie die Händler zu berichten wussten, herrschte in der Region von Kandalar größten Teils Dürre. Ein Kometensplitter, der unseren Planeten vor über zehn Jahren gestreift hatte, so klein wie ein Weinfass jedoch mit der Wirkung eines Vulkanausbruchs. Danach begann sich die Natur zu wandeln. Doch die meisten gaben den Herren von Kandalar die Schuld daran, da man ihnen dunkle Kräfte nachsagte und es leichter war, ihnen sämtliches Unheil anzulasten.